Vom DFB-Team berichtet Thorsten Mesch und Markus Höhner
Frankfurt/Main - In der DFB-Zentrale in Frankfurt herrschte WM-Stimmung.
Am Empfang wurden brasilianische Glücksbänder in den Farben Schwarz, Rot und Gold verteilt, im großen Sepp-Herberger-Tagungsraum hingen brasilianische Flaggen und es gab (alkoholfreie) Caipirinha
In 35 Tagen wird die WM angepfiffen, doch nicht für alle erfüllte sich am Donnerstagmittag der Traum von Südamerika
Adler und Gomez nicht dabei
Als auf den Videowänden die Bilder der Spieler erschienen, die es im vorläufigen Kader geschafft stehen, waren Rene Adler und Mario Gomez nicht dabei (EINWURF: Löw setzt die richtigen Zeichen).
"Für diejenigen, die es nicht schaffen, tut es mir persönlich leid, aber um den angestrebten Erfolg zu erreichen, bedarf es keiner Konzessionsentscheidung", hatte Joachim Löw kurz vor der Verkündung erklärt.
Löw konsequent
Der Bundestrainer traf zumindest bei der Auswahl seiner Stürmer keine Konzessionsentscheidung, sondern setzte seine Ankündigung aus dem März, nur fitte Spieler mitzunehmen, konsequent um.
Gomez hatte nach seinem Wechsel vom FC Bayern zum AC Florenz enormes Verletzungspech, sein letztes Spiel über 90 Minuten datiert vom September
"Selbstverständlich hätte ich mir auch gewünscht, dass Mario Gomez fit gewesen wäre, dass er die letzten Monate gespielt hätte", sagte Löw:
"Er war jetzt sieben Monate verletzt und hat seit September nur 280 Minuten gespielt. Von daher war ich der Meinung, dass er vielleicht nicht in der Lage ist, unter den Bedingungen das Turnier zu überstehen."
Volland statt Gomez
Statt Gomez steht Kevin Volland im 30 Spieler umfassenden vorläufigen Kader. Der Hoffenheimer, einer von sechs Neulingen im Aufgebot, hat Löw mit starken Auftritten in der Bundesliga und als Kapitän der U-21-Nationalmannschaft überzeugt.
"Wir haben gesehen, dass Volland einen großen Schritt gemacht hat", lobte Löw den 21-Jährigen. Volland hat gute Chancen, auch im endgültigen 23-er Kader für die WM zu stehen, denn weitere Angreifer fehlen im Aufgebot.
Mönchengladbachs Max Kruse und HSV-Stürmer Pierre-Michel Lasogga fielen durchs Sieb.
Löw von Klose überzeugt
"Weil wir uns in der Gesamtlösung für Klose und Volland entschieden haben", erläuterte Löw. Über Klose sei bekannt, "dass er gerade bei Turnieren eine gute Form erreichen kann", sagte Löw über seinen zuletzt immer wieder angeschlagenen Oldie:
"Er hat auch in diesem Jahr zumindest 25 Spiele absolviert, das ist nicht ganz so wenig. Miro kennt seinen Körper sehr gut. Wir sind überzeugt, dass er der Mannschaft in welcher Form auch immer helfen kann."
Kruse habe sich nach einer Formkrise zwar zuletzt wieder verbessert, aber auf der Position hinter der Spitze "haben wir Spieler wie Thomas Müller, Marco Reus, Mario Götze und Andre Schürrle", führte der Bundestrainer aus.
Draxler muss um Platz bangen
Im offensiven Mittelfeld kann Löw aus dem Vollen schöpfen. Die Auswahl ist so groß, dass Julian Draxler droht, wie schon vor der EM 2012 den Sprung ins endgültige Aufgebot zu verpassen.
Im DFB-Team konnte der Schalker bisher nicht auf sich aufmerksam machen, während Konkurrenten wie Schürrle oder Lukas Podolski immer für ein Tor gut sind.
Podolski ist zudem neben Klose wichtig für die Stimmung im Team.
Vertrauensbeweis an Khedira
Im defensiven Mittelfeld ist die Lage nicht so luxuriös. Ilkay Gündogan ist verletzungsbedingt nicht dabei, Bastian Schweinsteiger ist nach langer Leidenszeit noch nicht in Topform, Sami Khedira fehlt nach seinem Kreuzbandriss im November die Spielpraxis.
Löw hofft, dass Khedira, der zuletzt zweimal im Kader von Real Madrid stand, bis zur WM seine Fitness weiter verbessert und vielleicht sogar im Champions-League-Finale am 24. Mai zum Einsatz kommt.
"Ich habe ganz wenige Spieler gesehen, die so vehement, konsequent und zielstrebig in der Reha gearbeitet haben. Von seinen körperlichen Voraussetzungen wird Sami es auf jeden Fall schaffen", begründet Löw sein Vertrauen in den 27-Jährigen.
"Seine Persönlichkeit und seine Qualität sind für uns unverzichtbar", lobte Löw, der wahrscheinlich hofft, Khedira bei der WM, wie 2010 in Südafrika, neben Schweinsteiger aufstellen zu können.
Problemzone linke Abwehrseite
Philipp Lahm würde dann wie vor vier Jahren rechts in der Abwehrkette spielen. Bliebe die Frage, wer auf der linken Abwehrseite spielt, der anderen großen Baustelle im DFB-Team.
Marcel Schmelzer gab nach längerer Verletzungspause erst am vergangenen Wochenende sein Comeback, Marcell Jansen ist noch verletzt. Neben Jansen und Schmelzer nominierte Löw erwartungsgemäß auch Kevin Großkreutz, der rechts wie links verteidigen kann.
Die Tatsache, dass Löw neben dem nicht fitten Jansen auch noch Schmelzers und Großkreutz' noch eher unerfahrenen Vereinskollege Erik Durm berief, zeigt, wie groß die Not auf dieser Position ist.
"Erik Durm hat 19 Bundesligaspiele, sieben Champions-League-Spiele und einige Pokalspiele. Gerade in den Spielen gegen Real Madrid hat er uns überzeugt, sodass wir zu dem Schluss kamen, dass er zumindest eine Chance verdient hat, jetzt dabei zu sein", erklärte der Bundestrainer.
Zieler ist Nummer drei
Verdient hätten es auch Marc-Andre ter Stegen oder Bernd Leno gehabt, aber bei der Wahl des dritten Torwarts hinter Manuel Neuer und Roman Weidenfeller entschied sich Löw für Ron-Robert Zieler.
Der Hannoveraner hatte schon bei der EM vor zwei Jahren den Vorzug gegenüber ter Stegen erhalten.
Zieler habe insgesamt eine souveräne Saison gespielt "und bei uns immer einen sehr guten Eindruck hinterlassen", erklärte Löw. Ter Stegen und Leno hätten große Perspektiven, "ihnen gehört die Zukunft." Löw nominierte ter Stegen neben Zieler für das Testspiel am 13. Mai gegen Polen. Sicher kein Trost für den ehrgeizigen 22-Jährigen.
Letzte Ausfahrt Hamburg
Für andere junge Spieler ist die Partie in Hamburg, bei der Löw auf die Spieler aus München, Dortmund und die Legionäre aus England und Spanien verzichten muss, eine "Chance, auf den WM-Zug aufzuspringen."
Dazu gehören auch Matthias Ginter aus Freiburg, Shkodran Mustafi von Sampdoria Genua, Max Meyer und Leon Goretzka (beide Schalke), Andre Hahn (Augsburg), die alle auch im 30er-Aufgebot für die WM stehen.
Nach dem Polen-Spiel, zu dem Löw acht weitere Neulinge einlud, erfolgt ein nächster Cut. Ins Trainingslager nach Südtirol (21. Bis 31. Mai) will Löw 25 oder 26 Spieler mitnehmen.
Wer am Ende zu den 23 Auserwählten gehört, die nach Brasilien reisen, muss Löw spätestens am 2. Juni entscheiden. Wer es nicht schafft, muss sich zu Hause mit einer Caipirinha trösten.
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